Moderne Risikotransferlösungen: Captives im Fokus

Der Beitrag gibt Einblicke in die Ergebnisse einer Gemeinschaftsstudie der Versicherungsforen Leipzig und PwC Deutschland.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Finanzen & Risiko
Themen:
Risikomanagement
Moderne Risikotransferlösungen: Captives im Fokus

Unternehmen stehen vor immer größeren Herausforderungen, wenn es darum geht, ihre Vermögenswerte und Interessen zu schützen. Der Blick auf die Risikolandschaft verdeutlicht dies auf eindrucksvolle Weise. Wir sehen nicht nur Emerging Risks wie Cyber oder Nachhaltigkeit, sondern auch globale Ereignisse, die unmittelbare Auswirkungen auf die Wirtschaft und den Versicherungsmarkt haben. Die jüngsten Ereignisse, wie die verheerende Coronapandemie, die Entwicklungen im Israel-Gaza-Konflikt und der andauernde Angriffskrieg auf die Ukraine, verdeutlichen, wie vielschichtig und interdependent Risiken heute sein können. Diese sich verändernde Risikolandschaft hat für Industrieunternehmen aller Größen umfangreiche Konsequenzen und sie sehen sich zunehmend mit einem verhärteten Versicherungsmarkt konfrontiert. Was sich unter anderem in steigenden Ausgaben für die Risikoabsicherung niederschlägt. Mehr als 40 Prozent der im Rahmen der Studie befragten Industrieunternehmen merkten stark gestiegene Kosten an, weitere 56 Prozent verzeichneten leichte Kostenanstiege.

Zur Captives-Studie

Die Studie "Moderne Risikotransferlösungen: Captives im Fokus" wurde im November 2023 von PwC Deutschland und den Versicherungsforen Leipzig veröffentlicht. Die Studie richtet ihren Fokus auf Captives, insbesondere im deutschsprachigen Raum, um den aktuellen Status quo dieser Risikotransferinstrumente darzustellen, die Herausforderungen und Chancen bei Gründung und Betrieb von Captives aufzuzeigen sowie Handlungsempfehlungen abzuleiten. Basis für diese Erkenntnisse ist eine quantitative CATI-Befragung von 61 Experten und Expertinnen aus dem Risikomanagement von Industrieunternehmen, der sich elf Tiefeninterviews mit den Captive-Verantwortlichen großer deutscher Industrieunternehmen sowie Experten aus Wissenschaft, Industrieversicherung, Rückversicherung und von einem Broker anschlossen.

Zum Begriff Captives: 
Der Begriff Captive, was direkt übersetzt „gefangen“ bedeutet, bezeichnet im Versicherungskontext die Tochtergesellschaft eines Unternehmens, die in der Regel eigene Versicherungen für das Mutterunternehmen und seine verbundenen Unternehmen anbietet. Die Captive verfügt dabei über eine aufsichtsrechtliche Lizenz zum Betreiben des Erst- und/oder Rückversicherungsgeschäfts und ermöglicht dem betreibenden Unternehmen die Absicherung der eigenen Risiken bzw. eines Teils der Risiken, um die Finanzierung der versicherungsfähigen Risiken zu optimieren.

Industrieunternehmen zeigen Interesse an Captive-Gründung

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass alternative Risikotransferinstrumente an Bedeutung gewinnen. 98 Prozent der Befragten Experten und Expertinnen gaben an, mit dem Begriff alternativer Risikotransfer (ART) vertraut zu sein. Captives als eine Variante des ARTs haben dabei in der jüngeren Vergangenheit verstärkte mediale Aufmerksamkeit bekommen. Bei den im Rahmen der Studie befragten Industrieunternehmen zeigte rund ein Drittel grundsätzlich Interesse an der Gründung einer Captive und plant dies innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre umzusetzen. Und auch bei den Unternehmen, bei denen derzeit keine Captive-Gründung angedacht ist, könnte sich das in Zukunft bei einer weiteren Verhärtung des Versicherungsmarktes ändern: Die Hälfte der Befragten gab an, mit dem Versicherungsschutz zufrieden zu sein. Das heißt aber auch, dass die andere Hälfte aktuell nicht zufrieden mit dem Angebot des Versicherungsmarktes ist.

Neben der Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit mit dem bestehenden Risikoschutz gaben die befragten Industrieunternehmen insbesondere die Zentralisierung des Risikomanagements als Haupttreiber für die Gründung einer Captive an. Diese These wurde auch im Rahmen der vertiefenden Experteninterviews diskutiert. Die Expertinnen und Experten der Industrieunternehmen – die alle eine eigene Captive betreiben – konnten diesen Beweggründen allerdings nicht zustimmen. Sie sehen ein zentralisiertes Risikomanagement vielmehr als Voraussetzung, um eine Captive gründen zu können. Allerding unterstützt die Captive durch den internen Risikotransfer bei der Sensibilisierung für das Risikomanagement und die Sichtbarkeit
innerhalb des eigenen Unternehmens und kann dabei helfen, das Silodenken einzelner Bereiche aufzubrechen und ein bereichsübergreifendes Risikomanagement zu schaffen.

Captives Studie PWC

Voraussetzungen der Captive-Gründung

Unstrittig ist, dass ein Unternehmen eine bestimmte Größe bzw. Umsatzhöhe haben muss, damit der Betrieb einer Captive überhaupt möglich ist oder sich lohnt. Schließlich ergeben sich neben dem hohen organisatorischen Aufwand für Gründung und Betrieb für die Muttergesellschaft zudem finanzielle Verpflichtungen. Als weitere Voraussetzungen für eine Captive-Gründung nannten die Expertinnen und Experten weiterhin: gutes internes Risikomanagement, das Commitment der Finanzvorstände, internes Know-how über den Versicherungsmarkt, regulatorische Anforderungen und Pricing.

Die Frage, welche Risiken in der Captive abgesichert werden sollen, ist sicherlich abhängig vom einzelnen Unternehmen. Es gibt jedoch Risikoarten, die eher bzw. weniger dafür geeignet sind. Nicht geeignete Risiken sind: Währung-, Markt-, Compliancerisiken, politische Risiken sowie Intellectual Property. Besser geeignet sind nicht-systemische und klar kalkulierbare Schäden sowie definierte Events (z.B. Betriebsunterbrechung, Transportrisiken, in Einzelfällen auch Haftpflicht) – die sogenannten Short-Tail-Risiken. Dabei handelt es sich häufig um Risiken mit hoher bis mittlerer Schadenfrequenz und geringer bis mittlerer Schadenhöhe.

Herausforderungen der Captive-Gründung

Allein die Abwägung der abzusichernden Risiken zeigt, dass die Gründung einer eigenen Captive fachliches Know-how über den Versicherungsmarkt und regulatorische Vorgaben erfordert, das in (Industrie-) Unternehmen in der Regel nicht vorhanden ist. Unter der kleinen Stichprobe von Captive-Ownern der Branchenbefragung nannten die Befragten den Zulassungsprozess der BaFin, den Zeitaufwand, die Wahl der geeigneten Captive-Form und die Kapitalbildung als besonders herausfordernd im Gründungsprozess.

Auch in den Experten- und Expertinneninterviews wurde die Gründung als komplexes und nicht zu unterschätzendes Projekt bezeichnet. Die Expertinnen und Experten nannten folgende Herausforderungen, die teilweise deckungsgleich mit den Antworten der Branchenbefragung sind: passendes internes und externes Personal finden, Wissen und Verständnis zu Pricing, Risikomodellierung, Versicherungsmarkt, aufsichtsrechtliche Anforderungen, langwieriger, teilweise noch analoger Prozess mit Aufsichtsbehörden, Zeit- und Projektmanagement, Kommunikation mit Gesellschaftern und anderen Abteilungen.

Aus den Herausforderungen der Gründung sowie dem deutlichen Interesse der Industrieunternehmen an Captives ergibt sich ein Marktpotential nicht nur für Captive-Manager, sondern insbesondere auch für Beratungsunternehmen und Broker. Denn in der Regel kann die Gründung einer Captive nicht von internen Mitarbeitenden allein durchgeführt werden. Zudem geht auch der Betrieb einer Captive mit einer gewissen Komplexität einher und erfordert daher umfassendes Know-how, wie die weiteren Studienergebnisse zeigen.

Einen umfassenden Einblick in die Herausforderungen der Captive-Gründung und des -Betriebs sowie Handlungsempfehlungen, um diese zu meistern, bietet das vollständige Studiendokument, das hier heruntergeladen werden kann.

Zur Studie

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